„Die ästhetische Verknüpfung zwischen Farb- und Formgestaltung der Fassade gelingt durch die vollflächige Bekleidung des Gebäudes mit einem gewebeartig wirkenden Netz vertikal angeordneter und polychrom beschichteter Metall-Lamellen“, so Prof. Dr. Axel Buether, Mitglied der Expertenkommission in seiner Eröffnungsrede. Und weiter: „Die Bunttonpalette von Antonio Marra erzeugt eine sehr lebendige, fröhliche, fast südländische Stimmung. Nicht zuletzt spiegelt die Spezifik der Polychromie der Fassadenentwürfe wichtige Elemente der Malerei von Antonio Marra wider.“ Mehr noch: Mit jedem Licht- und Ortswechsel sowie zu jeder Tageszeit ändert sich für den Betrachter die Farbwirkung des Hauses. Auch integriert Antonio Marra bei seinem Farbkonzept je nach Blickachse die Farbigkeit und Stimmung der Umgebung. Zur Neckarseite hin überwiegen die Blautöne kombiniert mit fröhlichen Farben, während in der Nachbarschaft des Sandstein-geprägten Fleischhauses die Farbigkeit aus Respekt vor dem historischen Umfeld etwas zurücktritt. Lebendig, leise, expressiv und zurückhaltend ergänzen sich die Gebäudeseiten spielerisch, bilden einen spannenden Gegensatz und trotzdem einen harmonischen Gesamteindruck.
Zur Erklärung des Konzeptes nutzte Antonio Marra sowohl künstlerisch gestaltete dreidimensionale Musterplatten als auch maßstabsgetreue Musteraufbauten, durch die die räumlichen Wirkungen besonders gut beurteilt werden können. Hierzu wurden die Lamellen in Originalformat in eine Holzkonstruktion eingesteckt, die mit einer anthrazitfarbenen Rückwand (die später der Farbe des Gebäudes entspricht), versehen wurde. Auf diese Weise können originalgetreu Farbkombinationen ausprobiert und die Links-Rechts-Frontalwirkung überprüft werden. Außerdem werden die Einflüsse direkten Sonnenlichtes, realistischer Entfernungen und dynamischer Perspektiven erkennbar. Bei der Fassade des Marrahaus wird die Farbigkeit und Stimmung der Umgebung aufgenommen und diese in den Entwurf integriert. Die 47 verschiedenen Farben sind auf 16.970 Lamellen angebracht. Zwei Farblamellen sind wiederum auf ein Basisprofil montiert, d.h. es sind insgesamt 8.485 Basisprofile.
Die farbliche Anmutung des Gebäudes wird beim Weiß – Bunt Rhythmus zum einen von dem hohen Weißanteil der Lamellen bestimmt (50%), da stets zwei weiße Lamellen auf zwei buntfarbige Lamellen folgen. Die zwei farbigen Lamellen nebeneinander sind jeweils aus einer Farbfamilie.
Wichtig für die Gesamtwirkung des Gebäudes im Raum ist die prinzipielle Setzung von Antonio Marra, nach der die weißen Lamellen vertikal über die gesamte Fassade durchlaufen sollen. Das erzeugt ein kontinuierliches Raster und ermöglicht eine intelligente Verwebung der einzelnen Farbbänder, die sich nicht in den Vordergrund der Wahrnehmung drängt, sondern erst bei einem genaueren Studium der Fassade erkennbar wird.
Im nächsten Schritt werden in einem unregelmäßigen Rhythmus silbern spiegelnde Lamellen in die Fassade eingefügt, sodass hierüber ein spannender und je nach Licht- und Wetterverhältnissen wechselnder Gesamteindruck entsteht.
Es wurden im Entwurfsprozess aus der bereits definierten Farbpalette Farbharmonien aus immer vier ähnlichen Farbtönen erstellt. Aus diesen vier Farbtönen wurden Texturen erarbeitet, in denen die Farbtöne immer vier mal vorkommen. So entstehen 16-teilige changierende Farbtexturen, die so angeordnet werden, dass ein harmonisches Gesamtbild auf der Fläche entsteht.
Starke Farbkontraste, bspw. direkt angrenzende Komplementärfarbübergänge wurden vermieden. Durch den fließenden Verlauf von einer Farbe zur nächsten wird ein spannender und doch harmonischer Eindruck erzielt, der sich deutlich von der Wahrnehmung der Seite A unterscheidet.
Durch die eindrucksvolle Fassadengestaltung erlebt man die Öffnung und Anbindung an die Stadt und die umgebende Natur. Die vertikale Gliederung der Fassaden besteht aus neun umlaufenden Farbbändern, bei denen jede zweite Reihe von horizontalen Öffnungen unterbrochen wird. Anfang und Abschluss des Baukörpers werden von durchlaufenden Farbbändern nachvollzogen. Ebenso wichtig für die räumliche Wirkung des Bauvolumens ist der Umgang von Antonio Marra mit den Gebäudekanten. Die in der perspektivischen Wahrnehmung von der Kaiserstrasse räumlich ungemein wichtigen vertikalen Gebäudekanten werden durch die Fortführung einiger Farbbänder in der jeweils angrenzenden Fassade zusammengehalten, wodurch ein Eindruck von Kontinuität entsteht.
Das Gebäude begleitet den Betrachter auf seinem Weg, ständig verändert es sein Aussehen, gibt neue Impulse und verstärkt die Besonderheit des Standortes. Konstant variabel verändert die Fassade ihr Aussehen, Tageszeit und Licht beeinflusst die visuelle Wahrnehmung zusätzlich und macht die Begegnung mit dem Marrahaus Heilbronn immer von neuem zu einem Erlebnis.